In der letzten Ausgabe vor unserer Sommerpause geht es endlich auch um unseren Zauberwürfel. Was der mit Algorithmen zu tun hat, wieso Henry Kissinger vielleicht KI-Experte wird und wie wir Firmen vom „Ethics Washing“ abhalten könnten, thematisieren unsere kuratierten Beiträge in diesem Erlesenes-Newsletter. Bis zur nächsten Ausgabe am 29. August müssen Sie uns aber nicht vermissen. Wir arbeiten auch bei 37 Grad an Publikationen, Blogbeiträgen und den Algo.Rules!
Die Meinungen in den Beiträgen spiegeln nicht zwangsläufig die Positionen der Bertelsmann Stiftung wider. Wir hoffen jedoch, dass sie zum Nachdenken anregen und zum Diskurs beitragen. Wir freuen uns stets sehr über Vorschläge für Erlesenes von unseren Leser:innen. Wer einen spannenden Text gefunden hat, kann uns diesen gerne per E-Mail an lajla.fetic@bertelsmann-stiftung.de zukommen lassen.
?Künstliche Intelligenz löst Zauberwürfel langsamer als einfacher Algorithmus
17. Juli 2019, Golem.de
Gerade einmal 1,2 Sekunden benötigte eine von Forscher:innen der University of California Irvine entwickelte Künstliche Intelligenz (KI), um einen Zauberwürfel zu lösen, berichtet Golem.de-Redakteur Oliver Nickel. Sie war damit fast dreimal schneller als der menschliche Rekordhalter Yusheng Du, der das Drehpuzzle in 3,47 Sekunden bezwang. Doch ist die KI dennoch nicht das schnellste Werkzeug: Eine traditionelle Rubiks-Cube-Lösesoftware braucht lediglich 380 Millisekunden. Sie verzichtet auf maschinelles Lernen und lässt sich ausschließlich für Zauberwürfel einsetzen. Der neue lernende Algorithmus hingegen kann theoretisch auch auf andere Fälle angewendet werden, beispielsweise beim Studieren von Eiweißen assistieren. Das Lernen nach Trail-and-Error-Prinzip hat den Algorithmus DeepcubeA aber auch in die Lage versetzt, komplexe Puzzlespiele zu lösen, was vorher nicht möglich war.
?Künstliche Intelligenz und die Geschichte der Menschheit
(The Metamorphosis), August 2019, The Atlantic
Wenn ein Elder Statesman, ein ehemaliger Google-Chef und ein Informatikprofessor zusammenkommen, dann kann es nur um eines gehen: Künstliche Intelligenz (KI). Wie wir als Gesellschaft mit den Entwicklungen von KI umgehen und diese mit bestehenden Werten und Praktiken in Einklang bringen können, sei eine beispiellose Herausforderung und in ihrer historischen Tragweite höchstens vergleichbar mit dem Übergang vom Mittelalter zur Moderne, schreiben der langjährige US-Außenminister Henry Kissinger, der frühere Google-Firmenchef Eric Schmidt und der Informatikprofessor Daniel Huttenlocher in diesem gemeinsamen Beitrag. Drei Jahre lang hat sich das Trio getroffen, um die KI-Revolution zu diskutieren – ihre Risiken und Möglichkeiten, ihre gesellschaftlichen Konsequenzen und die Frage, wie sie verschiedene Kulturen in unterschiedlicher Weise beeinflussen werde. Die drei Experten sind zwar nicht immer einer Meinung darüber, wie viel Optimismus angebracht ist, Konsens herrscht aber darüber, dass KI Wissen, Wahrnehmung und Realität verändere – und damit nicht weniger als die Geschichte der Menschheit.
?Wie Unternehmen “Ethics Washing” vermeiden können
(How AI companies can avoid ethics washing), 17. Juli 2019, Venturebeat
Die Implementierung von ethischen Regeln in Unternehmen sei eine spezielle Disziplin, in der beharrliches und infrage stellendes Vorgehen notwendig ist, so die Feststellung eines Firmenvertreters aus der Technologiebranche. Khari Johnson, Korrespondent beim Onlinemagazin Venturebeat, sammelt in diesem Artikel Best Practices, Hinweise und Empfehlungen verschiedener Köpfe aus dem Techsektor zur Frage, wie Firmen “Ethics Washing” in Bezug auf Künstliche Intelligenz (KI) vermeiden können. Ethics Washing bezeichnet in diesem Kontext Maßnahmen, die vorgeblich der Schaffung von fairer und ethischer KI dienen sollen, aber eigentlich nur „heiße Luft“ darstellen. Um eine derartige Praxis zu vermeiden, brauche es unter anderem eine zu Dissens ermunternde Unternehmenskultur. Zudem sei es sinnvoll, identifizierte Probleme nacheinander zu lösen. Außerdem wichtig: die Einbeziehung von allen relevanten und betroffenen Gruppen.
?Die Rolle von Künstliche Intelligenz bei den Olympischen Spielen 2020
(One Year Countdown: Readying AI Security for the Tokyo 2020 Olympics), 20. Juli 2019, Medium
Bei den Olympischen und Paralympischen Sommerspielen 2020 in Tokio wird eine bislang bei sportlichen Großereignissen nie dagewesene Palette an auf Künstlicher Intelligenz basierenden Systemen zum Einsatz kommen. Um Sicherheit und einen reibungslosen Ablauf garantieren und auch um den vermeintlichen Mangel an menschlichen Arbeitskräften kompensieren zu können, wie Yuu Rirou bei Synced schreibt. Die Organisator:innen planen unter anderem, die rund 12.000 Athlet:innen und insgesamt etwa 300.000 Mitarbeiter:innen sowie involvierten freiwilligen Helfer:innen per Gesichtserkennung sowie zusätzlichem Vorzeigen des Ausweises beim Zutritt zu den Veranstaltungsorten zu identifizieren. Außerdem soll ein System zum Einsatz kommen, das für geographische Einheiten von jeweils 125 Quadratmetern das Risiko von Hitzeschlägen berechnen könne – in der japanischen Megametropole wird es im Sommer häufig drückend heiß.
?Der „intellektuelle Schuldenberg“ wächst durch Künstliche Intelligenz
(The Hidden Costs of Automated Thinking), 23. Juli 2019, The New Yorker
1897 wurde Aspirin erfunden. Doch erst 100 Jahre später gab es eine überzeugende Erklärung dafür, wie genau der schmerzhemmende Arzneistoff wirkt. Das Prinzip, zunächst die Lösung für ein Problem zu finden und erst – mit Verspätung – Antworten zur genauen Funktionsweise, sei ein wiederkehrendes Phänomen in verschiedenen Forschungsfeldern, erklärt der Computer- und Rechtswissenschaftler Jonathan Zittrain in diesem Essay. Er bezeichnet die entstehende Lücke als “intellektuelle Schulden”. Diese Schulden hätten Millionen Menschen das Leben gerettet und seien somit für sich genommen kein Problem. Er sorge sich aber, dass der Schuldenberg im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz ins Unermessliche anwachse – und damit absehbar nicht mehr beherrschbar werde. Der Schuldenanalogie folgend schlägt Zittrain deshalb eine Bilanzaufstellung vor: ein System, das genau dokumentiert, wo und wie bislang nicht genau erklärte Vorgänge und Mechanismen zum Einsatz kommen.
?In eigener Sache: Fairer Bewerten – mit künstlicher Intelligenz?
Einfach erklärt: Carla Hustedt, Leiterin unseres Projektes “Ethik der Algorithmen”, war zu Gast im TV-Programm “Erde an Zukunft” von KiKA. Gemeinsam mit Moderator Felix Seibert-Daiker führte sie einer Schulklasse anschaulich vor, wie ein selbstlernender Algorithmus funktioniert!
Das war‘s für diese Woche. Sollten Sie Feedback, Themenhinweise oder Verbesserungsvorschläge haben, mailen Sie uns gerne: lajla.fetic@bertelsmann-stiftung.de
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