Die Europäische Kommission will es, die Bundesregierung auch. Unternehmen wollen es schon lange und immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen kommen dazu. Die Rede ist vom Teilen und anschließenden Verarbeiten von Daten. Aber wie soll dieser Prozess des Teilens gestaltet werden? Dazu gibt es mindestens so viele Ideen wie Akteur:innen. In unserem Panorama der Datenteilungsmodelle gibt der Autor und Datenexperte Andreas Pawelke einen kompakten Überblick über die meist diskutiertesten Ansätze und zeigt Wege auf, diese aus gesellschaftspolitischer Perspektive zu bewerten.

Prognosen gehen davon aus, dass das Volumen digital verfügbarer Daten zwischen 2018 und 2025 von 33 Zettabyte auf 175 Zettabyte – also auf 530 Prozent der ursprünglichen Menge – steigen wird. Überträgt man diese Berechnung auf eine hypothetische Gewichtszunahme einer 80 Kilo schweren Person, wäre sie sieben Jahre später etwa 424 Kilo schwer. Der Vergleich versinnbildlicht die schier unvorstellbare Größenordnung heutiger und zukünftiger Datenmengen. Parallel dazu wird erwartet, dass der potenzielle Wert dieses „Datenschatzes“ in Europa circa 829 Milliarden Euro im Jahr 2025 betragen wird. Diese und andere Prognosen über die Menge und den Wert von Daten zeigen, dass uns das Thema in den kommenden Jahren immer stärker begleiten wird, der Fokus der Diskussion aktuell jedoch häufig auf wirtschaftlichen Fragen liegt. Welche sozialen und gesellschaftlichen Potenziale sich durch den Zugang zu Daten ergeben, bleibt dabei oftmals ungeklärt.

Europas Datenaltruismus – Wie sieht der Weg dorthin aus?

Die jüngste Antwort auf datenpolitische Fragen entstammt mit dem Data Governance Act den Federn der Europäischen Kommission. Mit diesem hat sich Brüssel das ambitionierte Ziel gesetzt, Bürger:innen zum Teilen sensibler Daten für gesellschaftliche Zwecke zu animieren. Die aktuellen Beispiele zur Behandlung der pandemischen Lage zeigen nicht zuletzt auf, dass das grundsätzlich keine schlechte Idee ist. Doch einige Fragen müssen für den „vertrauensvollen Datenaltruismus“ noch geklärt werden, damit dieser im Einklang bestehender Grundrechte ausgeübt werden kann. Dafür werden auf europäischer, nationaler oder kommunaler Ebene bereits Modelle diskutiert, die das Teilen von Daten ermöglichen sollen. Immer häufiger sind deshalb Ansätze wie Datentreuhänder, Data Spaces, Data Commons im Gespräch.

Im Dschungel der Datenteilungsmodelle

Die Debatte zum Königsweg des Datenteilens verdeutlicht, dass oftmals ein Verständnis dafür fehlt, was hinter den Begriffen steckt und wie die Ansätze sich voneinander unterscheiden. Auffällig ist außerdem, dass es zurzeit an einer kompakten Übersicht bestehender Modelle und konkreter Praxisbeispiele mangelt. Andreas Pawelke, Datenexperte, hat deshalb ein Panorama der Datenteilungsmodelle erarbeitet und nach folgenden Fragen strukturiert:

  • Wer stellt Daten wem zur Verfügung?
  • Welche Daten werden dabei berücksichtigt?
  • Wer profitiert von diesem Austausch?
  • Gibt es bereits Beispiele aus der Praxis?

Die Auflistung ergibt dabei ein heterogenes Bild der Funktions- und Wirkungsweisen von Datenteilungsmodellen. Die Übersicht kann helfen, den konkreten Nutzen für Einzelne und Gesellschaft zu evaluieren. Dabei sollte der Blick nicht alleine auf die technische Umsetzbarkeit, sondern auch auf die kontextuelle Einbettung gerichtet werden.

Unser Verständnis und Umgang mit Daten reflektieren

Insbesondere die politische Diskussion zeigt, dass Funktionen und Ebenen der Modelle durcheinander gehen. Dabei kann ein regulativer Ansatz, wie die Pflicht zum Datenteilen, nicht als Gegensatz zu einem Mechanismus des Datenteilens, wie z. B. dem Datentreuhänder, gesehen werden. Die diskutierten Modelle sind also schwer zu vergleichen und müssen im Zweifel sogar ineinandergreifen können. Bei dieser Ausgestaltung und Auswahl können zwei Fragen zum Verständnis der Daten und Verantwortlichkeiten dennoch hilfreich sein:

  1. Wie sollen Daten grundsätzlich verstanden werden? Als privates-, als öffentliches- oder gar als Gemeingut?
  2. Wer soll über das Teilen der Daten entscheiden?

Wichtig ist deshalb: Es kann keine pauschale Empfehlung für ein Datenteilungsmodell ausgesprochen werden, weil sowohl Kombinationen als auch fallspezifische Adaptionen denkbar sind. Darüber hinaus sollten datenschutzrechtliche und wettbewerbsrechtliche Aspekte bedacht werden.

 

Datenteilung ist längst eine zutiefst gesellschafts-politische Frage. Datenteilungsmodelle füllen diese abstrakte Frage mit Leben. Es ist Zeit, sie zu konkretisieren, auf ihre Praxistauglichkeit zu testen und damit Daten für die Gemeinschaft zu erschließen.

Andreas Pawelke, Autor der Studie

Machtkonzentration entgegenwirken

Wie schwierig eine gesellschaftspolitische Bewertung von Datenteilungsmodellen ist, wird insbesondere dann deutlich, wenn wir uns vor Augen halten, dass Daten alleine keinen Nutzen bringen. Sie entfalten ihre ökonomische wie auch gesellschaftliche Wirkung erst im konkreten Anwendungskontext. Bei der Verwendung von Daten in algorithmischen Systemen fällt das besonders auf. Stefan Heumann, Mitglied des Vorstands der Stiftung Neue Verantwortung, hat demensprechend 2019 die Frage aufgeworfen, ob das Teilen der Daten Innovationen nicht sogar verhindert, weil große Tech Unternehmen am ehesten über die Ressourcen verfügen, um die Daten auszuwerten. Wie die Bereitstellung von Daten und die Entwicklung von algorithmischer Vielfalt und Marktkonzentration zusammenhängen muss dringend weiter erforscht werden. Andere Faktoren, wie die Beschaffenheit des Marktes, das Know-How in der Verarbeitung der Daten und Netzwerkeffekte sollten in diese Überlegungen einbezogen werden.

Modelle erproben und weiterentwickeln

Um die Wirkung der Modelle auch in Hinblick auf den gesellschaftlichen Nutzen zu bewerten, braucht es neben einer Konkretisierung vorliegender Ansätze auch die Entschlossenheit und die Mittel diese in der Praxis weiter zu erproben und zu entwickeln. Das von der EU-finanzierte Projekt DECODE lässt uns Mut schöpfen für das ambitionierte Ziel Daten in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Bürger:innen in Barcelona wurden – durch den Data Commons-Ansatz der Datenteilung und im Rahmen einer Smart-City-Strategie – Souveräne ihrer Daten und damit zu aktiven Gestalter:innen der Stadt. Das Resultat: Direktdemokratische Beteiligungen bei Stadtplanungen sowie freie Open-Source Software statt infrastruktureller Abhängigkeit von großen Tech-Unternehmen. Die inspirierende Kraft dieses und weiterer praktischer Beispiele zeigt, dass sich die Auseinandersetzung mit Datenteilungsansätzen lohnt.


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