Die digitale Verwaltung von morgen braucht heute Kompetenzen für den Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz (KI). Jetzt bietet sich dazu eine doppelte Chance: Denn viele der benötigten KI-Kompetenzen sind heute schon da, müssen aber neu ausgerichtet werden. Und wenn das passiert, kann sich auch das Verwaltungshandeln insgesamt verbessern.

Die ewige Mär des Digitalisierungsnachzüglers Deutschland braucht ein gutes Ende. Dafür ist es wichtiger denn je, sich jetzt dem Aufbau digitaler Kompetenzen in der Verwaltung zu widmen. Die Digitalstrategie des Bundes erwähnt dazu zwar die Unterstützung der Digitalakademie, sollte aber die doppelte Chance des Kompetenzaufbaus noch stärker nutzen: Es geht nichts ohne den Kompetenzaufbau der Beschäftigten der öffentlichen Hand – gerade bei der Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz.

KI in der Verwaltung: gekommen, um zu bleiben

Mehr Bürger:innenorientierung, Lösungen für den Fachkräftemangel, eine effizientere Verwaltung durch KI – das sind nur drei von vielen Zukunftsversprechen. Doch bereits im Hier und Jetzt werden Algorithmen in Verwaltungsprozessen und -entscheidungen in deutschen Behörden genutzt. Ob durch Predictive Policing oder zur Krisenvorhersage – gemeinsam mit AlgorithmWatch zeigten wir im  Automating Society Report 2020 einige der Fälle auf. Deutlich wurde, dass der Algorithmeneinsatz auch zu Diskriminierungen führen, die Autonomie der Mitarbeitenden untergraben oder Misstrauen bei Bürger:innen erzeugen kann. Um diese Risiken anzugehen, fehlt es jedoch in der Breite der Verwaltung an Umsetzungswissen und Know-how. Doch welche Kompetenzen sind konkret gefragt?

EDV-Kurse reichen nicht aus

Wissen über Statistik und Programmieren ist wichtig. Wer jedoch nur von der Technologie aus denkt, wird algorithmische Systeme kaum erfolgreich für sich nutzen können. Denn über den gelungenen Einsatz entscheidet neben einem guten System auch die sinnvolle Einbettung in bestehende Prozesse und eine erfolgreiche Interaktion durch die Mitarbeitenden. Viele der Anwendungen werden überdies eingekauft, Mitarbeitende in der Verwaltung sind (leider) selten an der Entwicklung der Systeme beteiligt. Vielmehr sind sie gefragt, die Grenzen und Möglichkeiten der Systeme einzuschätzen und nutzbar zu machen. Es geht um weit mehr als nur um IT-Kompetenzen und folglich wird auch ein EDV-Kurs alleine nicht helfen.

Viele der benötigten KI-Kompetenzen sind schon vorhanden

Werden algorithmische Systeme eingesetzt, erhalten zahlreiche „analoge Kompetenzen“ eine neue Relevanz. Die gute Nachricht ist, dass die Mitarbeitenden in der Verwaltung diese oftmals bereits besitzen und lediglich neu ausrichten müssen. Das sind etwa praktische Fähigkeiten, wie das Aufsetzen und Anpassen von Verwaltungsprozessen. Der Einsatz von KI stellt dabei einen Baustein in der Kette solcher Prozesse dar und erfordert vor allem Problemlösungskompetenzen. Die Reflexion der eigenen Rolle und Verantwortung wird in der Interaktion mit komplexen und dynamischen Systemen wichtiger denn je. Kommunikationskompetenzen werden benötigt, wenn Mitarbeitende ihre Arbeit mit dem System und seine Besonderheiten Bürger:innen transparent und erklärbar machen müssen. Führungskompetenz zeigt sich, wenn Vorgesetzte bei der Einführung des Systems ihre Mitarbeitenden frühzeitig informieren und einbeziehen und ihnen zum Beispiel Ängste gegenüber dem System nehmen.

Großer Nebeneffekt: KI-Kompetenzen verbessern Verwaltungshandeln

Weitet man die Perspektive auf KI-Kompetenzen aus und bezieht „analoge Kompetenzen“ ein, führt dies an vielen Stellen zu einem kritischen und produktiven Hinterfragen

  • der bestehenden Prozesse (Inwiefern und wie gut kann man sie automatisieren?),
  • der Rolle der Mitarbeitenden (Was ist ihre Verantwortung?) und
  • des Verwaltungshandelns insgesamt (Wie transparent und verständlich sollte staatliches Handeln sein?).

Oft gilt der Spruch: „Digitalisierst du einen schlechten Prozess, hast du einen schlechten digitalen Prozess“. Doch was wäre, wenn durch die Digitalisierung bestehende, analoge Prozesse neu gedacht und verbessert werden? Tatsächlich kann die Einführung algorithmischer Systeme genau diese kritische Auseinandersetzung in Gang setzen. Der viel diskutierte AMS-Algorithmus in Österreich beispielsweise entfachte auf eine bislang einzigartige Weise eine öffentliche Debatte darüber, welche Faktoren (z. B. Geschlecht, Alter oder Herkunft) die Arbeitsmarktchancen von Arbeitssuchenden definieren sollten. Im Zuge dessen kann hinterfragt werden, inwiefern bisherige Entscheidungsparameter sinnvoll waren und in das System einfließen sollten. Unabhängig davon, wie man den Einsatz des AMS-Systems beurteilt, ist die Diskussion über die nun transparenten Kriterien ein Gewinn für eine moderne Verwaltung. Die dadurch gesteigerten Reflexionsfähigkeiten können auch außerhalb von KI-Einsätzen gebraucht werden und verbessern schlussendlich Verwaltungshandeln insgesamt.

Wir müssen notwendige KI-Kompetenzen definieren, messen und aufbauen

Eine holistischere Perspektive auf die sinnvolle Forderung, Digitalkompetenzen in der Verwaltung aufzubauen, kann sich also lohnen. Dann ist der Aufbau von KI-Kompetenzen nicht ein zähes Streben nach technischem Know-how, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung bestehender Kompetenzen als auch eine Verbesserung von Prozessen und Verwaltungshandeln insgesamt. Damit wir diese doppelte Chance auch nutzen, müssen wir mehr Konkretisierung wagen! Deshalb werden wir gemeinsam mit der und für die Verwaltung definieren, welche Kompetenzen relevant sind, messen, welche bereits vorhanden sind oder noch benötigt werden, und gezielten Kompetenzaufbau vorantreiben. Demnächst erscheint dazu eine neue reframe[Tech]-Studie mit konkreten KI-Kompetenzrastern für die Verwaltung.


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