Chatbots in Leichter Sprache sind ein konkretes Beispiel für einen gemeinwohlorientierten Algorithmeneinsatz. Doch ihre Potenziale für mehr Barrierefreiheit werden bisher noch selten genutzt. In einem Impulspapier analysieren wir, unter welchen Voraussetzungen diese Chatbots wirkungsvoll eingesetzt werden können.

Der erste Eindruck ist oft entscheidend! „Damit ich auch ordentlich funktioniere, muss ich unseren Chatverlauf speichern und einen Cookie in Ihrem Browser setzen. Dies trifft auch zu, wenn Sie personenbezogene Daten und andere schützenswerte Dinge eingeben.“ So beginnt der Austausch mit dem Chatbot Ina des Integrationsamtes Schleswig-Holstein. Für acht Millionen Menschen in Deutschland sind solch komplizierte Sätze mit vielen Informationen und Fachwörtern eine echte Herausforderung, da sie auf Leichte Sprache angewiesen sind. Zum Glück bietet das der Chatbot Ina auch an: „Ich merke mir unser Gespräch. Ich merke mir auch persönliche Informationen. Ich benutze einen „Cookie“ zum Merken“. Über digitale Teilhabe kann schon der erste Eindruck entscheiden.

Heutzutage kann es ohne digitale Teilhabe auch keine soziale Teilhabe geben. Deswegen ist digitale Barrierefreiheit eine immer entscheidendere Grundlage für gesellschaftliche Partizipation und autonomes Handeln. Dies trifft insbesondere für die öffentliche Verwaltung zu, die gesetzlich verankerten Pflichten zur Barrierefreiheit nachkommen muss. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, dass immer mehr öffentliche Dienstleistungen digitalisiert werden.

Eine Möglichkeit, um den beiden Zielen digitaler und barrierefreier zu werden, näher zu kommen sind Chatbots in Leichter Sprache. Chatbots sind digitale Assistenzsysteme und können von der öffentlichen Verwaltung eingesetzt werden, um auf Anfragen von Bürger:innen zu antworten. Damit stellen sie einen weiteren Kommunikationskanal dar, über den die öffentliche Verwaltung mit Bürger:innen in Kontakt tritt. Das Besondere an Chatbots in Leichter Sprache gegenüber herkömmlichen Chatbots ist, dass sie nicht nur Effizienzvorteile, sondern auch einen sozialen Mehrwert haben können.

Ein Beispiel für einen solchen Chatbot in Leichter Sprache ist der Chatbot Ina, welchen wir in unserem Impulspapier näher vorstellen. Der Chatbot Ina wird seit 2019 vom Integrationsamt Schleswig-Holstein als zusätzlicher Kommunikationskanal in der behördlichen Arbeit genutzt. Dabei dient der Chatbot als Ansprechstelle für schwerbehinderte Menschen und für Betriebe und erteilt Auskunft rund um die Themen Beschäftigung und Schwerbehinderung.

Zugang, Befähigung und Effizienz als zentrale Potenzialversprechen

Chatbots in Leichter Sprache haben eine Reihe von Vorteilen. Durch die Recherchen für das Impulspapier haben sich insbesondere drei zentrale Vorteile herausgestellt:

  1. Chatbots in Leichter Sprache können einen besseren Zugang zu den Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung schaffen. Behörden verwenden eine Fachsprache, die nicht nur für Menschen mit geringer Literalität, sondern für alle Bürger:innen oftmals schwer verständlich ist. Leichte Sprache zwingt die Verfasser:innen zu Eindeutigkeit, Klarheit und Kürze und trägt damit zu mehr Barrierefreiheit bei. Zudem ermöglichen Chatbots mehr Zugang zu den Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung, da sie rund um die Uhr erreichbar sind.
  2. Indem Chatbots den Zugang zu Behörden erleichtern, können Ängste vor Behörden abgebaut und das Vertrauen in staatliche Institutionen gestärkt werden. Für viele Menschen stellt der Besuch bei einer Behörde eine Herausforderung dar, da sie sich angesichts der Bürokratie überwältigt und überfordert fühlen. Die Nutzung von Chatbots kann die Hürden der behördlichen Kontaktaufnahme herabsetzen und so zu einem positiven Interaktionserlebnis führen.
  3. Chatbots in Leichter Sprache können zur Effizienz beitragen, indem sie Mitarbeiter:innen der öffentlichen Verwaltung entlasten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn niedrigschwellige Informationsanfragen automatisiert und standardisiert beantwortet werden. Diese Zeitersparnis ermöglicht es den Mitarbeiter:innen, sich verstärkt um die Fälle zu kümmern, die eine individuelle Unterstützung und Beratung erfordern. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass mittels der über die Anfragen gesammelten Daten eine Wissensgrundlage entsteht, welche zur Optimierung der Angebote der öffentlichen Verwaltung herangezogen werden kann.

Berücksichtigung der gesamten Informationsarchitektur, partizipative Technologieentwicklung und Verbesserung der Datenqualität für inklusive Chatbots als wichtige Gelingensfaktoren

Die Recherche für dieses Impulspapier hat jedoch auch gezeigt, dass die Entwicklung von Chatbots in Leichter Sprache noch ganz am Anfang steht und es insbesondere aus Perspektive der Betroffenen noch einige Limitierungen und Weiterentwicklungsbedarfe gibt. Damit die Potenziale von Chatbots in Leichter Sprache gehoben werden können, muss bei deren Weiterentwicklung und Einsatz eine Reihe von Faktoren berücksichtigt werden:

  1. Chatbots in Leichter Sprache sollten in die gesamte Informationsarchitektur der öffentlichen Verwaltung eingebunden sein. Bei der Entwicklung und dem Einsatz von Chatbots in Leichter Sprache empfiehlt sich ein ganzheitlicher Einsatz. Zu oft sind die Serviceangebote der öffentlichen Verwaltung fragmentiert und nicht aufeinander abgestimmt. Eine Konsequenz daraus ist, dass wichtige Synergieeffekte verloren gehen, zum Beispiel, wenn ein Chatbot in Leichter Sprache auf eine Broschüre verweist, die nicht in Leichter Sprache verfasst wurde.
  2. Die Technologieentwicklung bei gemeinwohlorientierten Algorithmeneinsätzen sollte immer partizipativ erfolgen, da nicht das technisch Machbare, sondern das sozial Sinnvolle entscheidend ist. Das trifft ganz besonders auf Chatbots in Leichter Sprache zu. Es empfiehlt sich daher, Menschen mit geringer Literalität einzubinden und für das Testing anzufragen.
  3. Datenqualität für inklusive Chatbots sollte verbessert werden. Chatbots, die auf lernenden Systemen basieren, sind auf Trainingsdaten angewiesen, damit sie weiterentwickelt werden können. Das große Problem für aktuelle Chatbot-Anwendungen ist jedoch, dass es noch relativ wenige Trainingsdatensätze in Leichter Sprache gibt. Eine bessere Übersetzung von Inhalten in Leichte Sprache und damit eine bessere Funktionalität von Chatbots können also durch eine größere Verfügbarkeit und das Teilen von Trainingsdatensätzen ermöglicht werden.

Bessere Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientierte Algorithmeneinsätze

Das Impulspapier zeigt am Beispiel von Chatbots in Leichter Sprache, dass algorithmische Systeme einen Beitrag dazu leisten können, gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen. Dabei ist das Augenmerk nicht nur darauf gerichtet, dass die Effizienz von Verwaltungsdienstleistungen erhöht wird, sondern insbesondere darauf, wie digitale Teilhabe gestärkt werden kann. Das Papier soll ein Impuls für Mitarbeiter:innen und Entscheidungsträger:innen der öffentlichen Verwaltung sein, sich mit den Möglichkeiten von Chatbots in Leichter Sprache zu beschäftigen. Aktuell sind noch nicht alle Herausforderungen für die erfolgreiche Nutzung von Chatbots gelöst. Das Impulspapier benennt wichtige Stellschrauben, an denen Entscheidungsträger:innen drehen können, um die Potenziale von Chatbots zu heben und einen besseren ersten Eindruck bei Menschen zu hinterlassen, die durch Leichte Sprache mehr Teilhabe erfahren.


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