Unser neuer EuroStack-Report zeigt, wie Europa mehr digitale Souveränität erreichen kann – mit eigener Infrastruktur, fairer Innovation und weniger Abhängigkeit von außereuropäischen Tech-Giganten.
Europa steht an einem digitalen Wendepunkt. Über 80 Prozent der digitalen Technologien, auf die Unternehmen und öffentliche Institutionen angewiesen sind, stammen aus dem Ausland. Besonders deutlich wird die Abhängigkeit im Bereich Künstliche Intelligenz (KI): 70 Prozent der weltweit genutzten Basismodelle stammen aus den USA. Gleichzeitig leisten europäische Unternehmen nur 7 Prozent der globalen Forschungsausgaben im Bereich Software und Internet – ein Indikator dafür, dass Europa in digitalen Schlüsseltechnologien hinterherhinkt. Diese Abhängigkeit gefährdet nicht nur Europas Innovationskraft, sondern auch seine digitale Souveränität.
Wie diese Abhängigkeit mit der Initiative des sogenannten EuroStacks angegangen werden kann, zeigt der Report „EuroStack – A European Alternative for Digital Sovereignty“, der von der Bertelsmann Stiftung beauftragt wurde und von einem renommierten Partnerkonsortium – bestehend aus der Stiftung Mercator, dem UCL Institute for Innovation and Public Purpose (UCL IIPP) und dem Centre for European Policy Studies (CEPS) – unterstützt wird.
Die tiefgehende Analyse zeigt, wie Europa durch eine eigenständige digitale Infrastruktur technologisch resilienter und wirtschaftlich wettbewerbsfähiger werden kann. Verfasst wurde der Report von einem Autorenkollektiv, dem neben Prof. Paul Timmers und Dr. Fausto Gerone die italienische Digital- und Datenexpertin Prof. Francesca Bria angehört, die als führende Stimme für ein europäisches, wertebasiertes digitales Ökosystem gilt.
“Europas Souveränität erfordert einen Technologiesprung. Wir importieren derzeit Technologien, die unsere Autonomie und unsere Werte untergraben. Der ‘EuroStack’ ist unser ‘Moonshot’-Moment, die digitale Evolution des Euro und des Binnenmarktes.”
– Prof. Francesca Bria

Der Bericht gliedert sich in drei Teile:
Teil 1: Die EuroStack-Initiative:
Dieser Abschnitt skizziert die Vision der EuroStack-Initiative: Europas industrielle Stärken für eine gemeinsame digitale Infrastruktur nutzen. Durch hochskalierbare digitale Dienste (Minimum Valiable Products, MVPs) in Schlüsselbranchen wie Fertigung, Biotechnologie, Mobilität und Gesundheitswesen sollen europäische Industrieprojekte vorangetrieben werden. Die Initiative setzt auf Open-Source-Innovation und agile Entwicklung, um die Umsetzung effizient zu gestalten. Ein Governance-Rahmen stellt sicher, dass Flexibilität und europäische Werte in Einklang gebracht werden.
Teil 2: Die politische Ökonomie der digitalen Souveränität:
Der zweite Teil ordnet den EuroStack im geopolitischen und wirtschaftlichen Kontext ein: Big Tech dominiert den digitalen Stack durch vertikale Integration, d. h. Konzentration von Unternehmen zur Steigerung der Fertigungstiefe, während Regierungen um die Kontrolle zentraler Technologien ringen. Gleichzeitig hat Europa erhebliche Abhängigkeiten bei Rohstoffen, Halbleitern, Cloud-Computing und KI. Demgegenüber werden konkrete Handlungsoptionen vorgestellt: von souveränen Datenräumen über offene, nachhaltige Plattformen bis hin zu gezielten Investitionen in strategische Technologien wie KI, Cloud-Computing und Quanteninformatik. Der Aufbau von EuroStack ist entscheidend – so die Autor:innen –, um den europäischen Binnenmarkt zu stärken, globale Herausforderungen zu meistern und Europas technologische Souveränität zu sichern.
Teil 3: Blueprint für eine europäische digitale Industriepolitik:
Dieser Abschnitt überführt die EuroStack-Vision in konkrete Handlungsempfehlungen. Im Mittelpunkt stehen koordinierte Investitionen, harmonisierte Regulierung und eine öffentliche Beschaffung, die europäische digitale Lösungen priorisiert. Der Blueprint setzt auf Partnerschaften und eine agile Umsetzung, um Europas Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern – ohne zusätzliche Bürokratie, aber mit Fokus auf Innovation und Effizienz.
Der Bericht zeigt, wie ein digitaler Binnenmarkt entstehen kann, der Innovation fördert, Start-ups unterstützt und europäische Unternehmen wettbewerbsfähig macht, ohne sich den datenextraktiven Geschäftsmodellen außereuropäischer Tech-Giganten zu unterwerfen.
EuroStack ist mehr als eine technologische Strategie – es ist eine industriepolitische Vision für ein digitales Europa, das auf Werte wie Datenschutz, Interoperabilität und Nachhaltigkeit setzt. Europas digitale Zukunft darf kein Zufallsprodukt sein – jetzt ist der Moment, sie aktiv zu gestalten.

Hintergrund
Am 24. September 2024 fand im Europäischen Parlament in Brüssel die Veranstaltung „Toward European Digital Independence: Building the EuroStack“ statt. Dieses Treffen wurde von einer parteiübergreifenden Gruppe von Europaabgeordneten (EPP, S&D, Renew und die Grünen) organisiert und zielte darauf ab, die digitale Unabhängigkeit Europas zu stärken. Die Veranstaltung brachte führende Persönlichkeiten und Organisationen mit praktischer Expertise in offenen digitalen Gemeingütern zusammen, darunter offene KI-Modelle, Datenspaces, Open-Source-Tools, datenschutzfreundliche digitale Identitäten und digitale Zahlungssysteme. Es gab hochrangige Beiträge von Vertreter:innen der Europäischen Kommission, wichtiger EU-Mitgliedstaaten sowie internationaler Partnerländer wie Brasilien, Indien und Taiwan. Im Nachgang beauftragte die Bertelsmann Stiftung den Bericht zum EuroStack, um eine konkrete Roadmap zur Stärkung Europas digitaler Souveränität bereitzustellen.
Weitere Infos rund um den EuroStack finden Sie auf dieser Website!
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